Die Skiweltmeisterschaften

Die Strecken, die Rennen, die Sieger

Vor allem fällt ein Faktor sofort ins Auge, und zwar die Tatsache, dass es vier verschiedene Zielanlagen gab. Heute wäre dies auf Grund der technologischen Voraussetzungen nicht mehr durchführbar.

RONC – Herren und Damenslalom

Hier fanden sowohl die Herren- als auch die Damenslaloms statt. Die Strecke war auf Grund der steilen Zieleinfahrt (48% Gefälle) besonders anspruchsvoll. Der Höhenunterschied betrug 197 m, die Länge 575 m. Hervorzuhebendes Detail war die Beschneiungsanlage, die hier erstmals zum Einsatz kam.Um am Herrenslalom teilnehmen zu können, musste eine Qualifikation gefahren werden. Zwar protestierten die Fahrer aus der ersten Gruppe, jedoch ohne Erfolg. Jedenfalls gab es nachher nie mehr solche Qualifikationsrennen, die in 17 Gruppen zu je 5-6 Fahrer auf zwei parallelen Strecken des Ronc-Hanges ausgetragen wurden. Das Rennen selbst fand am darauffolgenden Tag statt. Die heimischen Zuschauer hofften natürlich alle auf einen Sieg des 19-jährigen Gustav Thöni, der in der laufenden Skisaison immer unter den ersten Plätzen zu finden war und sich besonders mit den Franzosen schlagen musste, die in diesem Jahr besonders erfolgreich waren. Auf Grund eines schwerwiegenden Fehlers platzierte sich Thöni jedoch im ersten Durchgang „nur“ als Vierter und behielt diesen Platz dann auch im Gesamt- klassement. Sieger wurden 1. Jean-Noel Augert (FRA), 2. Patrick Russel (FRA), 3. Bill Kidd (USA). Die französiche Mannschaft war auch im Damenslalom die stärkste. Es siegten Ingrid Lafforgue (FRA), gefolgt von Barbara Cochran (USA) und Jacot Michele (FRA). Von der Preisverteilung erzählt man sich eine nette Anekdote: Die Siegerin Ingrid Lafforgue lag mit Fieber im Bett und liess sich von ihrer Zwillingsschwester Britt ersetzen, ohne dass dies jemand bemerkt hätte. Der einzige Unterschied zwischen den beiden Schwestern war ein kleines Muttermal der Siegerin unter einem Auge. Dies war jedoch nur ganz wenigen bekannt.

CIAMPINOI – Riesentorlauf der Herren und Damen

Der Start befand sich auf dem Ciampinoi-Gipfel und die Strecke folgte in groĂźen ZĂĽgen der heutigen No. 3. Eine schwierige, sehr schöne Strecke, die nicht die geringste Zerstreuung zulieĂź. Die „Mauer“ war schon lange vor den WM als „Schwiegermutter“ bezeichnet worden. Das Ziel befand sich am Freina-Hang im Herzen Wolkensteins. Das Höchstgefälle betrug 38%, die Mindestneigung 24% fĂĽr die Herren und 15% fĂĽr die Damen, die Länge 1790 bzw. 1200 m, der Höhenunterschied 447 bzw. 338 m. Damals war die StreckenfĂĽhrung bedeutend länger als heute (der Herrenbewerb zählte 68 Tore) und die beiden Durchgänge wurden an zwei verschiedenen Tagen absolviert. Sicherlich verlangte dieser Riesenslalom von allen Teilnehmern den ganzen Einstz.Mehrere Nationen hofften â€" zurecht â€" auf einen sicheren Sieg. FĂĽr Ă–sterreich war Werner Bleiner der Favorit, die Franzosen hatten viele Siegläufer und die Augen der Italiener waren auf Gustav Thöni gerichtet. Bereits nach dem ersten Durchgang stand der Endsieger fest: Zur Ăśberraschung vieler fĂĽhrte der „alte“ Karl Schranz (31 Jahre) sowohl im ersten Durchgang als auch im End-Klassement. An zweiter Stelle platzierte sich Werner Bleiner (AUT) und dahiner Dumeng Giovanoli (SUI). Jean-Noel Augert (einer der Favoriten) war vierter, während Italien die groĂźe Enttäuschung hinnehmen musste, dass Gustav Thöni bereits nach dem dritten Tor des ersten Durchgangs ausschied. Auch im Damen-Riesentorlauf fehlten die Ăśberraschungen nicht: In einem einzigen Durchgang und auf verkĂĽrzte Strecke startete als zweite die erst 16-jährige Kanadierin Betsy Clifford mit Bestzeit und behielt diese bis zum Ende des Rennens. Nicht einmal die starken Französinnen konnten sie entthronen, Ingrid Lafforge, die Slalomkönigin, wurde mit 7 Hunderstel zweite und ihre Teamkollegin Francoise Macchi errang die Bronzemedaille.

CIR – Damenabfahrt

Von vielen als die schönste der WM-Abfahrten eingestuft, wurde sie 1969 für die Vor-WM Rennen eingeweiht. Der Start befand sich unter der Cir-Gruppe, erreichbar über die Danterceppies-Gondelbahn, das Ziel im Langental, unweit der Burgruine der Wolkensteiner Grafen, die dem Ort den Namen gaben. Der Höhenunterschied betrug 675 m, die Gesamtlänge 2750 m, das Höchstgefälle 52% und Mindestgefälle 25,5%. Auch hier erwartete man sich einen französischen Sieg, es kam jedoch anders: Gold ging an die Schweizerin Annerösli Zryd, die bereits das Vor-WM-Rennen gewonnen hatte und die auf Grund iher schlechten Ergebnisse des Winters beinahe nicht nominiert worden wäre. Eine Verletzung am Anfang des Winters hatte sie nämlich aus den ersten Platzierungen entfernt. Der Fanzösin Isabelle Mir, von der Presse „Mirabelle“ genannt, entging die Goldmedaille auf Grund eines schweren Fehlers, es reichte jedoch für den zweiten Platz. Bronze ging an die Österreicherin Annemarie Pröll.

SASLONCH – Herrenabfahrt

Die Saslonch der WM ist identisch mit der Saslong von heute. Zusätzlich zur (korrekten) Schreibweise wurde auch die Piste leicht verändert, wobei die StreckenfĂĽhrung jedoch dieselbe blieb wie 1970. Die Länge beträgt 3460 m, der Höhenunterschied 839 m, das Höchstgefälle 56,9% und die Mindestneigung 24,5%. FĂĽr manche war der Name Bernard Russi als Weltmeister eine Ăśberraschung, doch fĂĽr alle diejenigen, die diese Disziplin gut kannten, war er der ideale Fahrer, der sich bereits in der vorhergehenden Saison ausgezeichnet hatte. Als 22-jähriger erlebte der gelernte Zeichner in einer Baufirma Andermatts seine erste Berufung in die Nationalmannschaft. Von ihm sagte man, dass er Beine aus Stahl sowie KĂĽhnheit und Selbstsicherheit besass â€" die ideale Mischung um zu siegen. In der Tat war seine Abfahrt atemberaubend, zumal es in der Nacht stark geschneit hatte und dadurch ganz neue Pistenverhältnisse entstanden waren. Auch das Wachs musste stimmen. Der Ă–sterreicher Karl Cordin fĂĽhrte und es schien als hätte Russi den im oberen Teil heausgefahrenen Vorsprung bereits verloren. Es gelang ihm, den RĂĽckstand durch einen perfekt gestandenen Zielsprung wettzumachen, den Cordin etwas unkontrollierter fuhr. Dritter wurde der Australianer Malcolm Milne, der in jenem Winter bereits die Weltcup- Abfahrt von Val d’Isère gewonnen hatte.